Hochschulen stehen, wenn sie es ernst meinen, vor einer schwierigen Aufgabe: Sie müssen die Zukunft vorwegnehmen.
Manchmal ist es hilfreich, dafür auch ein wenig auf die Vergangenheit zu schauen.
Wie alles begann
Als weder Buchdruck noch Power Point erfunden waren, mussten sich Studierende an Unis alles merken, was sie lernen wollten. Oder schreiben lernen. Dann konnte man sich in einen Hör-Saal setzen, in dem vorne jemand stand oder saß, der schreiben und lesen konnte und etwas aus seinem Geschriebenen vor-gelesen hat. In den Bankreihen hat man mitgeschrieben, was man so mitbekommen hat.
Anfänglich hatten die Universitäten dafür keine eigenen Häuser oder einen „Campus“. Gelernt und gelehrt wurde, wo Platz war, zum Beispiel in Kirchen oder Privathäusern, oder unter einfachen Vordächern am Straßenrand. „Universität“ war die Gemeinschaft von Individuen, die zusammenkamen, um miteinander zu lehren und zu lernen. Später begann man, eigene Räumlichkeiten für die Lehre zu kaufen oder zu bauen, und im Lauf der Zeit nahmen die physischen Orte für sich in Anspruch, die Universität zu sein. Seitdem geht man „auf die Uni“ oder lehrt „an einer Hochschule“, aber keiner sagt: „Ich bin die Hochschule“. Oder kaum einmal: „Ich bin Teil der Hochschule“.
1999: Die unabsichtliche Einführung der Zeitdilatation ins Bildungssystem
Eine der ältesten Universitäten Europas steht in Bologna. Es gibt sie jetzt seit beinahe 1000 Jahren. Und seit 1000 Jahren geht man an Hochschulen ziemlich so vor, wie oben beschrieben. Dass man sich dazu entschlossen hat, das Europäische tertiäre Bildungssystem nach der ältesten Universität zu benennen, die man gefunden hat, hätte eigentlich auch zu denken geben können. Aber es ist nun mal so: Europäische Hochschulen, die auf sich halten, sind stolz darauf, Teil des „Bologna-Systems“ zu sein.
Die wesentlichsten Merkmale des Bologna-Systems sind: Mehrere Lehrveranstaltungen nennen wir „Modul“ und den angestrebten Output „Kompetenzen“. Die grundsätzliche Lehrmethodik lassen wir aber gleich. Und erklären sie am besten gleich zu einem standardisierten „Löst-Alles-Hier“-Modell (LAHM).
Nach den ersten drei Jahren Bologna-System erhält man eine Urkunde, die sagt: Diese Person war intelligent genug, sich die vorgelesenen Dinge so lange zu merken, bis sie darüber befragt wurde; sie war hartnäckig genug, das drei Jahre lang durchzuhalten; und sie war konformistisch genug, dabei einem Plan zu folgen, den sich andere ausgedacht und für nützlich befunden haben. Nach weiteren zwei Jahren hat man es darin zum Meister gebracht.
Keinesfalls darf in bildungspolitischen Botschaften der Hinweis fehlen, dass man dabei selbstverständlich immer das „Humboldt’sche Bildungsideal“ vor Augen hat(te). – Dabei würden vermutlich die meisten schon daran scheitern die Frage zu beantworten, ob sie damit Alexander oder Wilhelm meinen.
„Die beste Methode, die Zukunft vorherzusagen, ist, sie zu gestalten“
(Alan Kay, Computer Scientist und Jazzgitarrist)
Das gilt auch für die Zukunft der Hochschulbildung.
Und damit werde ich mich in meinen nächsten Beiträgen hier auseinandersetzen: Mit der Zukunft der Hochschulen. Zumindest mit einer von mehreren möglichen Ideen einer Hochschule. Jenseits des heutigen Ereignishorizonts.