Es ist über sieben Jahre her. Da bin ich im damaligen Büro der FernFH in der Lothringer Straße gesessen. Herbert Schwarzenberger mir gegenüber. Er erläuterte mir das Konzept des Blended Learning an der FernFH.
Eine Einführungsvorlesung, dann folgen acht Wochen Fernlernphase.
Da spielt sich alles im Online Campus ab. In der darauffolgenden Präsenzphase wird dann die Prüfung abgehalten. Und hier – er schiebt mir die Modulbeschreibung zu – das hier sind die Lehrinhalte der LV.
Ich stockte. „Wie soll das funktionieren? Wie soll ich den Studierenden diese abstrakten Theorien vermitteln, wenn ich sie nur 90 Minuten mir gegenübersitzen habe, und sie den Rest der Zeit allein zu Hause vorm Computer sitzen? Dachte ich mir, oder sprach ich das auch laut aus?
Ok: Challenge accepted – es wird schon funktionieren.
Zu Hause machte ich mich an die Konzeptionsarbeit. Gut, Lernstoff erarbeiten, das geht ja noch. Die Studierenden lesen die LV-Literatur. Zur Wiederholung gebe ich ihnen Lernkontrollfragen, die sie im LV-Forum beantworten.
Und wie weiß ich, ob sie auch verstanden haben, was sie da gelesen haben?
In der Präsenzlehre sehe ich meist schon an den Gesichtern, ob mein Gesagtes verstanden wurde. Reicht es aus im Forum zu diskutieren? Bin ich da nicht total abhängig davon, ob und welche Fragen die Studierenden stellen? Unsicherheit machte sich bei mir breit.
In meiner Laufbahn als Lehrende habe ich ja schon etliche LVs und Workshops konzipiert. Ausgangspunkt waren dabei immer die Lerninhalte und der Kompetenzerwerb. Die Inhalte, die ich vermitteln möchte, standen im Zentrum. Der Input von mir war immer zentral. Ergänzt durch Fragen an das Plenum oder auch kleinen Übungen. Das ist in der Fernlehre ähnlich, Übungen und Fragen sind besonders wichtig, damit die Studierenden den Lernstoff verarbeiten. Der Unterschied ist, dass in der Präsenzlehre der Lern- oder besser der Lehrprozess sehr genau von mir gesteuert ist.
Ich gebe den Takt vor.
Zuerst Input von mir, eine Zwischenfrage an das Plenum oder eine Übung, Reflexion und Aufarbeitung, Abschluss und Ende. Das ist in der Fernlehre anders. Wenn ich eine Frage stelle, kann es sein, dass niemand antwortet, Diskussionen in den Kleingruppen bekomme ich überhaupt nicht mit, weil sie an anderen Orten/Plattformen stattfinden. Die Gruppen bekommen dadurch voneinander auch kaum etwas mit. Damit ist es möglich, dass die Lernprozesse der Studierenden sich anders entwickeln, als ich es vorhergesehen habe. Ergebnisse von Übungen kann ich dafür viel genauer lesen und befeedbacken, weil ich nicht stante pede reagieren muss.
Damit sind meine Aufgaben als Lehrende in der Fernlehre andere. Es ist viel weniger wichtig, dass ich den Lehrstoff eloquent und interessant präsentiere und sofort die fachlich richtige Antwort auf eine Frage habe. Wichtiger ist es, den Lehrinhalt zuerst im Vorfeld, und dann auch laufend immer wieder, gut zu strukturieren, zusammenzufassen. Wichtig ist es auch, lose Fäden zu finden und zu vereinen, bei den Studierenden nachzufragen und aktiv Feedback einzuholen. Es rücken auch bei den Lehrenden soziale und methodische Kompetenzen, wie bspw. wertschätzendes Feedback geben oder Textkompetenz mehr in den Vordergrund.
Ich ließ mich also damals auf das Abenteuer „Online-Lehre“ ein und entwickelte ein passendes Konzept, das bei den Studierenden sehr gut ankam. Aber nicht nur das, …
… ich kippte regelrecht in die neue Welt der Online-Lehre hinein.
Ich fand YouTube-Videos in denen die großen Theoretiker_innen ihre Theorien erklärten und stellte sie in den Kurs. Wir hatten spannende Diskussionen im Forum und in einer – auch meiner ersten – Webkonferenz. Inzwischen sieht das Design dieser Lehrveranstaltung anders aus. Ich mache sie immer noch sehr gerne und denke mir immer neue Sachen aus. Ich denke aber auch gerne an mein erstes Mal zurück: „Das kann nicht funktionieren“, habe ich mir damals gedacht. Jetzt weiß ich:
„Es funktioniert. Sich darauf einlassen und den Studierenden etwas zutrauen, dann funktioniert es.“