Wissenschaftliches Arbeiten

Fragebogen, Experiment, Vignettenstudie…. Ein Plädoyer für das quantitative Forschen ❤

Junge Frau steht lachend mit Laptop in der Hand am Hochschulcampus

(Bild ist AI-generiert)

In den Sozialwissenschaften bedienen wir uns qualitativer als auch quantitativer Methoden. Durch qualitative Methoden wie die offene Befragung (Interviews), die Beobachtung und die Inhaltsanalyse kann die Welt ergebnisoffen betrachtet und möglichst vollständig beschrieben und verstanden werden. Diese sind also vor allem dann geeignet, wenn wir noch wenig Ahnung von einem bestimmten Phänomen oder einer bestimmten Situation haben und eine (erste) Theorie gebildet werden soll. Quantitative Methoden (z.B. Fragebogen, strukturierte Beobachtung, Experiment) sind wiederum dafür geeignet, wenn Sie einzelne Phänomene und Zusammenhänge auf der Welt offenlegen und erklären wollen.

Sie sehen also: Beide Methodenansätze sind wichtig um die Welt, die Menschen und ihre Inter­aktionen besser verstehen zu können. Es scheinen sich jedoch einige Mythen und Vorurteile um beide Arten der Forschung zu ranken. Qualitative Forschung gilt oft als „einfacher“ und quantitative Forschung als überaus schwierig, weil hierfür statistische Grundkenntnisse notwendig sind. Tatsächlich haben beide Forschungsansätze ihre Vor- und Nachteile. Ich möchte Ihnen nun die quantitative Sozialforschung ein bisschen näherbringen und ihr Image durch ein paar Fakten verbessern.

Wann quantitativ arbeiten?

Welche Methode für ein Forschungsvorhaben geeignet ist, ergibt sich aus dem Vorwissen und der Forschungsfrage. Weiterführende Informationen zur Wahl der geeigneten Methode finden Sie in unserem Kurs „Vom Forschungsinteresse zum empirischen Forschungsdesign“.

Quantitative Methoden haben immer mit Messen, Zählen und Berechnen zu tun. Wer quantitativ arbeitet, bedient sich Theorien und Vorannahmen, auf Basis derer sogenannte Hypothesen formuliert werden, welche dann durch die quantitativen Daten bestätigt oder verworfen werden. Im Gegensatz zu den qualitativen Methoden wird dabei nicht die Lebensrealität weniger Personen möglichst vollständig betrachtet, sondern ein kleiner Teil der Lebensrealität bei möglichst vielen Personen. Es wird quasi ins Leben „hineingezoomt“ und das wenige, das betrachtet wird, wird dabei möglichst genau erfasst. Zudem können nur mittels quantitativer Methoden systematische Unterschiede zwischen Personen, Unternehmen, Kulturen etc. sowie Zusammenhänge (z.B. zwischen äußeren Umständen, Wahrnehmungen, Motiven, Einstellungen, Verhaltensweisen etc.) offengelegt werden.

Quantitative Forschung ist also v.a. dann geeignet, …

  • wenn wir bereits eine Vorahnung von einem Phänomen oder einem Sachverhalt haben und diese theoretischen Vorannahmen empirisch geprüft werden sollen,
  • wenn Regelhaftigkeiten für eine breite Grundgesamtheit identifiziert werden sollen,
  • wenn es um Unterschiede zwischen und innerhalb von Personen (z.B. über die Zeit) geht und
  • wenn es um den Zusammenhang zwischen einer Ursache und einer Wirkung geht.

Vorteile quantitativer Forschung

Ich sehe in der quantitativen Forschung viele Vorteile. Hier möchte ich auf zwei davon eingehen (weitere erfahren Sie im FERNFH Podcast „Der ganz normale Wahnsinn“). Erstens können durch quantitative Methoden gewisse Mechanismen und Phänomene sehr präzise erklärt werden. Dabei können Unterschiede zwischen Menschen/Unternehmen/Kulturen etc. getestet werden und es können – bei den richtigen Verfahren – Ursache und Wirkung relativ sauber auseinandergehalten werden. Das ist sehr wichtig, um praktische Maßnahmen zur Veränderung/Verbesserung abzuleiten. Auf Kausalität kann zum Beispiel mittels Experiment oder Längsschnitterhebungen, bei welchen dieselben Personen in gewissen Abständen immer wieder befragt werden, geschlossen werden.

Zweitens sind quantitative Methoden – im Vergleich zu qualitativen Methoden – weniger aufwendig in der Datenanalyse. Die geeignete Analysemethode wird eigentlich schon mit der Formulierung der Hypothesen bestimmt und diese ist dann nach der Datenaufbereitung relativ schnell in einem Statistikprogramm (z.B. SPSS oder JASP) passiert. Dadurch können Sie Ablauf und Zeitplan Ihrer Abschlussarbeit relativ genau durchplanen. Zudem passt die relativ kurze Auswertungszeit quantitativer Daten gut zum Zeitplan einer Abschlussarbeit bei uns an der FERNFH, da so mehr Zeit für das eigentliche Schreiben der Arbeit bleibt.

Quantitativ ist nicht nur der Fragebogen

Bei Gedanken an quantitative Forschung denken die meisten an die standardisierte Befragung mittels Fragebogen. Das ist natürlich zu Recht eine beliebte Methode mit wenig Aufwand für Forscher*innen als auch für Versuchspersonen. Es gibt jedoch weit mehr quantitative Methoden, die angewendet werden können, um Hypothesen zu prüfen. Auch im Zuge einer Abschlussarbeit! Hier möchte ich drei kurz vorstellen.

Inhaltsanalyse

Zuallererst lege ich Ihnen die strukturierte Inhaltsanalyse nahe, denn mit ihr können Sie die Inhalte aus social media, Film und Fernsehen, Nachrichten etc. mit dem Erleben und Verhalten von Individuen und Gruppen verbinden.  Dabei analysieren Sie Text- und Multimediadaten auf Basis vorher definierter Kriterien, die dann in ihrer Häufigkeit gezählt werden. So können z.B. Werbevideos oder Chatverläufe innerhalb von Unternehmen hinsichtlich der von Ihnen vermittelten Emotionen untersucht werden oder Jobausschreibungen auf Phrasen geprüft werden, welche klassische Geschlechterrollen unterstreichen. Die Inhaltsanalyse ist insofern eine spezielle Methode, da hier oft kein persönlicher Kontakt zu den Versuchspersonen notwendig ist.

Experiment

Das Experiment ist der Ursprung aller quantitativen Forschung. Experimente können nicht nur klassisch „im Labor“ durchgeführt werden, gerade im Marketing finden oft Experimente im Feld statt, zum Beispiel werden Werbevideos gezeigt und ihre Wirkung verglichen oder Räume manipuliert, um zu prüfen, welcher Raumduft zu mehr Käufen anregt. Es gibt auch in Unternehmen Experimente, z.B. wenn ein neues Raumdesign oder die Viertagewoche ausprobiert wird. Alle Experimente haben dabei eines gemeinsam: Es gibt jeweils (mindestens) eine Experimentalgruppe, bei der etwas verändert (manipuliert) wird, und eine Vergleichsgruppe, bei der nichts verändert wird. Diese Gruppen werden dann verglichen. Einzigartig wertvoll macht diese Methode, dass durch die künstliche Manipulation recht deutlich zwischen Ursache und Wirkung unterschieden werden kann.

Vignettenstudie

Wenn ein Experiment auf einer hypothetischen Ebene durchgeführt wird, dann spricht man von einer Vignettenstudie. Dies klingt komplizierter als es ist. Vignetten sind kurze Texte oder Videos mit Anleitungen für die Versuchspersonen, sich in gewisse Situationen reinzudenken. Dabei werden die Vorteile von Experiment und Fragebogen kombiniert, d.h. dass die Studie mit relativ wenig Aufwand durchgeführt, jedoch relativ gut zwischen Ursache und Wirkung unterschieden werden kann. Nähere Informationen zu dieser und anderen quantitativen Methoden finden Sie in unserem Kurs „Quantitative Forschungsdesigns und -methoden“.

Trauen Sie sich drüber und forschen Sie quantitativ, denn es hat sehr viele Vorteile! Um diese auch alle auskosten zu können empfehlen wir:

Haben Sie Mut zur Lücke und keinen allzu hohen Anspruch auf Ihre Ergebnisse! Das ist nun mal so in der quantitativen Forschung: Man kann nicht die ganze Welt mit einer Studie erklären, im Gegenteil, man fokussiert auf einen sehr kleinen Teil der Welt, aber auf diesen möglichst detailliert.

Stressen Sie sich nicht, wenn Ihre Hypothesen nicht bestätigt werden! Es kann natürlich immer vorkommen, dass Sie Ihre Hypothese(n) nach der Datenanalyse verwerfen müssen – aber das ist auch ein wichtiger Befund! Und jedenfalls haben Sie gelernt, wie der Forschungsprozess abläuft und können diesen dann in Ihrem Beruf auch einsetzen.

Haben Sie keine Angst vor Statistik (sie hat wahrscheinlich mehr Angst vor Ihnen 😜)! Sie haben die Basis in Ihrem Studium gelernt, aber so wirklich vertiefen werden Sie Ihr Wissen dann erst im Zuge Ihrer tatsächlichen empirischen Arbeit – das ist der ganz normale Prozess. Dafür steht Ihnen an der FERNFH der begleitende Methodenkurs zur Verfügung, in dem Sie Hilfestellungen zur statistischen Auswertung Ihrer Studien finden (v.a. viele Video-Tutorials 😊). Wir haben seit kurzem übrigens auch einen Kurs zum Suchen und Finden von Versuchspersonen!

Viel Erfolg beim quantitativen Forschen! … Spaß darf das übrigens auch machen

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