Über 8 Millionen Menschen in Österreich haben Zugang zum Internet. Dort wartet eine nahezu unendliche – und vor allem auch unordentliche – Menge an Informationen. Doch wie nähern wir uns diesen Informationen und sind diese uns wirklich so nützlich? Wie können wir sinnvoll mit dieser Informationsfülle umgehen? In Gesprächen mit Freunden und Bekannten lässt sich für mich ein Informationsverwaltungstrend erkennen: in unserer modernen, vom Internet und von Mobile Devices geprägten Gesellschaft muss man nur noch wissen, wo man etwas findet und den entsprechenden Zugang zu Text, Bild und Ton haben. Doch was passiert hier mit unserem Denken oder unserer Gesprächskultur? Laufend bekomme ich Smarte Devices unter die Nase gehalten. Selten ist ein/e Gesprächspartner_in in der Lage eine selbstformulierte Beschreibung zum Sachverhalt zu liefern.
Agieren via Suchmaschinen
Selbstverständlich, wir müssen alle persönlich selektieren und filtern, was uns interessiert und bewegt. Wir legen uns dabei Routinen zu. Im Kontext des Internets agieren wir digital gern via Suchmaschinen. Schlagwort getippt, Treffer reflektiert, zwei oder drei Seiten überflogen und dann … Dann wenden wir uns womöglich wieder einfach anderen Dingen zu oder verlieren uns im Hyperraum der Hyperlinks.
Unsere Alltagsmethodik im Umgang mit dem Internet ist denkfeindlich
Obwohl oder besser gesagt, gerade weil uns das Internet doch alle Informationen dieser Welt bietet und bequem serviert, möchte ich die These aufstellen, dass unsere Alltagsmethodik, mit dem Internet umzugehen, regelrecht denkfeindlich ist. Für uns als Informationskonsument_innen führen die Struktur, die Virtualität und eben die Fülle an Einträgen im World Wide Web dazu, dass wir uns nur auf Suchmaschinen verlassen und womöglich dazu verleitet werden, das aktive Denken an das Netz outzusourcen. Wem wiederum diese Suchmaschinen gehören und nach welchen Grundsätzen oder Interessen diese betrieben werden, ist noch ein ganz anderes Thema. Auch der Autor und Wirtschaftsjournalist Nicholas Carr diagnostizierte an sich selbst bereits 2008 die Minderung seiner „Deep Reading“ Fähigkeit und machte seinen übermäßigen Internet- und Suchmaschinen-Gebrauch dafür verantwortlich, der seinem Geist die Web-Informationsverarbeitung antrainiert habe, welche sich wiederum vor allem durch schnelles und oberflächliches Lesen und Selektieren auszeichnet (Carr 2008).
Wie können wir Informationen langfristig in das eigene Gedächtnis bringen?
Heute soll es eher darum gehen, wie man, statt kognitives Cloud-Sourcing zu betreiben, gesammelte und selektierte Informationen langfristig in das eigene Gedächtnis bringen kann. Erst durch diesen Ansatz lassen sich über Zeit Wissen oder so etwas wie Erkenntnisse generieren. Erst aus gesammelten Informationen – nennen wir sie Notizen – lassen sich Themen, Probleme und Gedanken clustern, identifizieren und verknüpfen. Denken ist ein kreativer wie auch analytischer Prozess, keine Suchmaschine der Welt kann mir persönlich diese Denk- und Kreativarbeit abnehmen.
Keine Suchmaschine der Welt kann mir diese Denk- und Kreativarbeit abnehmen
Was also tun? Die Wissenschaft hat bereits erkannt: schematisches Denken geht nicht ohne externe Hilfsmittel. Denn unsere kognitiven Fähigkeiten und speziell unsere Erinnerungsfähigkeiten sind begrenzt. Unser Kopf ist so gut wie unfähig, verschiedene Dinge gleichzeitig präsent zu halten. Zumindest in diesem Punkt sind uns die Server und Festplatten dieser Welt weit überlegen. Und so empfiehlt der Bildungs- und Sozialwissenschaftler Sönke Ahrens den Aufbau einer Informationsverarbeitungsroutine gekoppelt mit dem Anlegen eines notizbasierten persönlichen Zweitgedächtnisses, mit dem man regelmäßig kommuniziert (Ahrens 2017).
Notizen sammeln
Wenn man also im Internet eine Informationssuche durchführt oder vielleicht einfach nur ein spannendes (Fach-)buch liest, dann muss man sich zu den persönlich für wesentlich erachteten Informationen Notizen machen, direkt beim Lesen oder Hören. Im Idealfall geschieht dies durch umformulierendes Schreiben des Gelesenen oder Gehörten. Eine solche Sammlung an Notizen kann dann über Zeit zu einem großen Vorrat an Themen und Gedanken anwachsen. Man beginnt in Hinblick auf seine Notizsammlung zu lesen, zu recherchieren und womöglich zu schreiben. Gleichzeitig trainiert man den bewussten Umgang mit Informationen, Begriffen und Argumenten, sowie die Unterscheidungsfähigkeit und Informationskompetenz. Und so ganz nebenbei praktiziert man die Kunst, sich einfach und verständlich auszudrücken. Gott oder ihre Mitmenschen werden es Ihnen vergelten.
Eine unschätzbare Ressource
Das Internet ist ein gigantischer Wissensspeicher und wird diese Rolle bzw. Funktion wohl noch eine Weile ausfüllen. Aber eine durchgeführte Suchmaschinenanfrage – rein in Request-Response-Manier – ohne persönliche Aufbereitung und Ablage der gefundenen und für wertvoll eingeschätzten Informationen führen nicht zum Aufbau eines persönlichen Wissensschatzes oder Zweitgedächtnisses. Persönliches analytisches und kreatives Denken kann uns das Internet nicht abnehmen und funktioniert nur mit Hilfsmitteln wie einer Notizsammlung. Intelligent und durchdacht verknüpfte Notizen liegen dann für Außenstehende womöglich wieder in einer Form der Unordnung vor – wie ja auch das Internet. Für uns persönlich ist diese Form der Sammlung aber eine unschätzbare Ressource der Themenfindung, Problemidentifikation und einfach auch Spielwiese, um mit den eigenen Gedanken kreativ zu werden. Für den weiterführenden Prozess des Schreibdenkens hat übrigens die Psychologin Barbara Scheuermann ein gutes und kurzgehaltenes Büchlein verfasst (Scheuermann 2016). Wer auch hier mehr erfahren möchte, nimmt sich am besten die Zeit für eine konzentrierte Kontemplation dieser Lektüre. Aber bitte das Notieren nicht vergessen. 😊
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