Wenn einmal wieder das Thema „Plagiat“ in den Schlagzeilen auftaucht, zucken viele Studierende und Absolvent_innen kurz zusammen und fragen sich: „Bin ich bei meinen Arbeiten immer sorgfältig gewesen?“ Auch wir Lehrende zucken vielleicht kurz zusammen und fragen uns: „Habe ich die Plagiatsreports immer genau gelesen, habe ich mir jede Quelle genau genug angesehen?“
Mit Blick auf die aktuell in der Öffentlichkeit stehenden beanstandeten Arbeiten (https://plagiatsgutachten.com/blog/diplomarbeit-christine-aschbacher/) können sich die Studierenden, Absolvent_innen und Lehrenden der FernFH sicherlich beruhigen. Man kann sehen, dass es sich bei diesen Fällen nicht um ein fehlendes Zitat handelt oder einen schlampig paraphrasierten Satz, sondern, dass über weite Strecken der Arbeit höchst unsauber gearbeitet und abgeschrieben wurde. Spätestens jetzt können unsere Studierenden verstehen, warum wir so pingelig sind, und sie während des gesamten Studiums mit den wissenschaftlichen Qualitätsstandards quälen.
In diesem Beitrag möchte ich das Wissen um Plagiarismus schärfen und zeigen, wie der Qualitätssicherungsprozess an der FernFH aussieht, um damit Ängste und Unsicherheit bei allen Beteiligten abzubauen.
Was ist überhaupt ein Plagiat?
In einem Plagiat stelle ich Inhalte, Texte oder Ideen von jemand anderen als meine eigenen dar. Dabei wird nicht kenntlich gemacht, dass es sich um fremdes Eigentum handelt. Auch Übersetzungsplagiate, Ideenplagiate und Zitate ohne Beleg zählen zu den Plagiaten (vgl. auch Leitfaden zur Sicherung wissenschaftlicher Praxis an der FernFH).
Studierende plagiieren meist aus folgenden Gründen:
- Sie kennen die wissenschaftlichen Standards nicht oder nicht ausreichend (fehlende Methodenkompetenz).
- Sie sind unsicher und haben Angst etwas Dummes zu schreiben (inhaltliche Überforderung, fehlende Schreibkompetenz).
- Sie schreiben die Arbeit unter Zeitdruck (zeitliche Überforderung).
Wir Lehrende und Betreuende haben die Aufgabe, diese Kompetenzen bei den Studierenden aufzubauen, indem wir wissenschaftliches Arbeiten während des gesamten Studiums mit ihnen üben und zu ihren Texten Rückmeldung geben. Und zwar nicht nur in den Methoden-Lehrveranstaltungen, sondern in allen Lehrveranstaltungen und in allen Textarbeiten (und von denen gibt es mit den schriftlichen Projekt- und Übungsaufgaben an der FernFH ja viele).
Wie kann ich als Studierende/r Plagiarismus nun vermeiden?
Eigentlich ist es ja gemein: Einerseits soll meine wissenschaftliche Arbeit auf anderen Arbeiten aufbauen (State-of-the-Art) und anderseits soll ich nicht abschreiben. Wie soll denn das gehen?
Auf den Schultern von Riesen
Eine wissenschaftliche Arbeit basiert immer auf Theorien, Konzepten, Modellen von anderen Wissenschafter_innen. Wenn ich diese beschreibe oder auch nur erwähne (!), dann muss ich diese mit einem Zitat (einer Quellenangabe) belegen. Textplagiate kann ich mit dem Exzerpieren aus Texten vermeiden – ein Vorgehen, das etwas aus der Mode gekommen ist. Beim Exzerpieren fassen ich bereits bei der Literatursuche aus einer Literaturquelle jene Textstellen zusammen, die für meine Forschungsfrage relevant sind. Bereits hier formuliere ich die Ideen in meinen eigenen Worten. Beim Einarbeiten in den Text, werden die Textstellen nochmals paraphrasiert und natürlich zitiert, d.h. die Quelle genau nach bestimmten Vorgaben angeführt. So vermeiden Sie Plagiate.
Schreibkompetenz und Vertrauen in das eigene Wissen
Vor allem Einleitungen, Zusammenfassungen, Fazit, Ergebnisse, Schlussfolgerungen, Diskussion und die Conclusio in einer wissenschaftlichen Arbeit beruhen auf Ihren eigenen Ideen und Überlegungen. Aber auch allein die Entscheidung, welche Texte ausgewählt werden um Argumente zu belegen und welche nicht, erfordern Ihre individuelle Entscheidung. Für die Texterstellung ist also viel Mut, kritisches Denken, Kreativität und vor allem Vertrauen in Ihr eigenes Wissen erforderlich. Lösen Sie sich auch räumlich für das Schreiben Ihrer Gedanken von den Artikeln und Büchern, die Sie bis dahin gelesen haben. Sammeln und clustern Sie in einem ersten Schritt Ihre Ideen. Schreiben Sie dann eine erste Version mit Hilfe von Freewriting und verdichten Sie diese Rohtexte nach und nach (vgl. Wolfsberger 2009) und ergänzen Sie dann die Quellenverweise. So entstehen nicht nur eigenständige Texte, die auf Ihren Ideen beruhen, sondern macht das Schreiben auch noch Freude!
Wie sichern wir die wissenschaftlichen Standards an der FernFH?
Für die Erstellung einer wissenschaftlichen Arbeit steht den Studierenden der Leitfaden zur Sicherung wissenschaftlicher Praxis zur Verfügung. Zusätzlich hat jede Studienrichtung bzw. jeder Studiengang auch noch fachspezifische Richtlinien zur Gestaltung wissenschaftlicher Arbeiten. In den Begleitseminaren werden außerdem die erforderlichen Teilschritte erläutert, vorgestellt und diskutiert.
Wie bereits erwähnt, ist für die Sicherung wissenschaftlicher Standards der Aufbau von Methoden- und Schreibkompetenz während des gesamten Studiums durch uns Lehrende zentral. Die Lehrenden müssen dabei auf ausreichende Ressourcen wie organisationale Strukturen, Aus- und Weiterbildungen und vor allem zeitliche Ressourcen für jede/n Studierende/n und jede Arbeit zurückgreifen können (siehe auch den Kommentar von Aigner im Standard vom 13.1.2021).
Das zeigt auch der Begutachtungsprozess der Bachelor- und Masterarbeiten (hier am Beispiel der Studienrichtung Betriebswirtschaft & Wirtschaftspsychologie): Er ist gekennzeichnet von engmaschiger Betreuung und Rückmeldung.
Der Begutachtungsprozess
Im ersten Schritt begutachtet die Betreuung das Proposal. Dabei klopft sie die Forschungsfrage und Methode ab und diskutiert diese mit der/dem Studierenden. Die Studierenden erhalten Feedback zu formalen und inhaltlichen Aspekten. Erst nach Einarbeitung dieses Feedbacks wird das Proposal freigegeben und der abgestimmte „Plan“ von den Studierenden eigenständig ausgeführt. Im zweiten Schritt wird die sogenannte Erstversion oder vollständige Version automatisch mittels Plagiatssoftware geprüft. Der Plagiatsreport wird am Studiengang und von der Betreuung, die die relevante Literatur meist noch viel besser kennt als jedes Plagiatsprogramm, geprüft. Sollten bei dieser Überprüfung Auffälligkeiten auftauchen, kommt es zu Rückfragen und der Bitte um Stellungnahmen. Sollte sich der Plagiatsverdacht erhärten, sieht das weitere Vorgehen wie im Leitfaden zur Sicherung wissenschaftlicher Praxis beschrieben aus.
Normalerweise erhalten die Studierenden aber an dieser Stelle einfach nochmals Hinweise und Vorschläge wie die inhaltliche und formale Qualität der Arbeit noch verbessert werden kann. Erst nach Umsetzung dieser Anregungen und Überarbeitungen wird eine Druckversion erstellt und zur Beurteilung vorgelegt. Der letzte Schritt in der Qualitätssicherung ist das abschließende Kolloquium. Darin verteidigt die/der Studierende ihre/seine Arbeit vor einer Prüfungskommission. Spätestens dann kann auch ein Ghostwriting ausgeschlossen werden.
Korrektes wissenschaftliches Arbeiten ist kein Selbstzweck, sondern zeugt von Respekt gegenüber den Ideen anderer. Wir arbeiten sorgfältig und hart daran, dass die Studierenden die erforderlichen wissenschaftlichen Kompetenzen, die auch im Berufsleben unerlässlich sind, erwerben, anwenden und in Ihren Abschlussarbeiten umsetzen.
Quellen und weiterführende Links
Aigner, Josef Christian (2021). Plagiate und andere akademische Peinlichkeiten. https://www.derstandard.at/story/2000123239318/plagiate-und-andere-akademische-peinlichkeiten. Abgerufen am 13.01.2021.
Karall, Peter H. / Weikert, Aurelia (2010). Exzerpieren. https://www.univie.ac.at/ksa/elearning/cp/schreiben/schreiben-30.html. Abgerufen am 13.01.2021.
Schultz, Jennifer (2019). Auf den Schultern von Riesen. https://www.citavi.com/de/nuetzliche-irrtuemer/artikel/auf-den-schultern-von-riesen. Abgerufen am 13.01.2021.
Weber, Stefan (2021). Plagiate, falsche Zitate, mangelnde Deutschkenntnisse: Diplomarbeit der österreichischen Ministerin Christine Aschbacher unterbietet alle wissenschaftlichen Standards. https://plagiatsgutachten.com/blog/diplomarbeit-christine-aschbacher/. Abgerufen am 13.01.2021.
Wolfsberger, Judith (2009). Frei geschrieben: Mut, Freiheit & Strategie für wissenschaftliche Abschlussarbeiten. UTB Taschenbuch.
Leitfaden zur Sicherung wissenschaftlicher Praxis
https://de.wikipedia.org/wiki/Paraphrase_(Sprache). (2020). Abgerufen am 13.01.2021.