Wissenschaftliches Arbeiten

Abschlussarbeiten schreiben – Jetzt wird’s hypothetisch

Hand die Lupe hält und ein beschriebenes Blatt Papier ansieht

Jetzt wo mit allen vorangegangen Blogbeiträgen das Thema, die Forschungsfrage und der Theorieteil stehen, gehts bei empirischen Arbeiten um eine weitere wichtige Entscheidung: Soll qualitativ oder quantitativ geforscht werden? Ich bin ganz klar in der quantitativen Forschung beheimatet, und schlage daher, wo es nur irgendwie sinnvoll ist, Forschung mit Experimenten und Fragebögen vor. Das mit dem qualitativen Forschen, also Interviews, Dokumentenanalysen usw. überlasse ich lieber unserer Spezialistin Anahid Aghamanoukjan. Ich werde mal bei ihr nachfragen, ob sie hier vielleicht einspringen und den einen oder anderen Blogbeitrag dazu schreiben mag. 😊

Also, entschieden für quantitative Forschung und raus mit dem Fragebogen! So ist oft der Zugang von Studierenden. Das kann ganz schnell nach hinten los gehen. Zuerst muss man sich überlegen, was man überhaupt wissen will und das muss natürlich gut überlegt sein. Weil der beste Fragebogen bringt nichts, wenn er nicht erhebt, was man überhaupt wissen will.

Um zu wissen, was man überhaupt wissen will, werden Hypothesen aufgestellt. Hypothesen fallen dabei nicht einfach vom Himmel, sondern sie werden in einem eigenen Kapitel der quantitativen empirischen Arbeit abgeleitet. Und das macht man so, dass man nochmal grob die Literatur aus dem Theorieteil wiederholt und dann Vermutungen ableitet, wie sich auf Grund des Zusammengefassten Zusammenhänge oder Unterschiede darstellen könnten. Studierende finden das manchmal komisch, noch mal die Literatur zu berichten oder vergessen dabei sogar darauf, zu zitieren. Es ist aber für die Klarheit des Forschungsprozesses wichtig, noch mal anhand der Literatur diese Vermutungen explizit aus der Theorie abzuleiten und darauf aufbauend die Hypothesen aufzustellen. Und wichtiger Merksatz zum Zitieren: „Zitiere, was ist nicht von dire!“ 🤣

Wie schaut das jetzt praktisch aus?

Meine Vermutung zu dem Problem, dass mir meine Eltern kein Geld mehr schenken, ist, dass ich wohl durch mein Alter (41 Jahre) und dadurch, dass ich arbeite und Geld verdiene (sorry, hierzu gibt es keine näheren Auskünfte, außer dass es natürlich gerne mehr sein darf! 😉) schlechte Karten habe, um hier auf Geld hoffen zu können. Um jetzt Hypothesen aufzustellen, muss ich in der Theorie auf jeden Fall zum Zusammenhang von Geschenken mit Alter und finanzielle Selbstständigkeit berichtet haben. Um die Hypothesen aufzustellen, muss ich nun diese im Theorieteil berichtete Literatur nochmal grob darstellen und komme zu dem Schluss, dass mit zunehmendem Alter und zunehmender Selbstständigkeit von Kindern die finanzielle Unterstützung durch die Eltern abnimmt.

Wie werden jetzt Hypothesen formuliert?

Meine Vermutung, dass mein Alter und mein Gehalt der elterlichen Unterstützung entgegenwirken, ist natürlich recht unfein formuliert und entspricht nicht dem, wie Hypothesen formuliert werden sollten. Hypothesen nehmen entweder einen Zusammenhang oder einen Unterschied an.

Zusammenhangshypothesen haben immer die Form „je…, desto…“ Die obige Vermutung zum Alter wäre also: „Je älter die Kinder sind, desto weniger finanzielle Unterstützung erhalten sie von ihren Eltern.“ Dahingegen geben Unterschiedshypothesen immer an, zwischen welchen Gruppen eben ein Unterschied besteht. Für meine obige Vermutung zum Gehalt wäre das dann: „Personen, die ein eigenes Einkommen haben, erhalten weniger finanzielle Unterstützung von ihren Eltern, als Personen, die kein eigenes Einkommen haben.“ Achtung, bei Unterschiedshypothesen muss immer angegeben werden, welche Gruppen sich unterscheiden, leider wird oft die Vergleichsgruppe – also das was nach „als“ kommt – vergessen. Zur Info: Die hier aufgestellten Hypothesen sind gerichtet, das heißt es wird schon angenommen in welche Richtung der Zusammenhang oder Unterschied geht. Also ob der Zusammenhang positiv oder negativ ist bzw. welche Gruppe von den Eltern weniger Kohle bekommt.

Wenn man aus der Literatur noch nicht ablesen kann, in welche Richtung der Zusammenhang oder der Unterschied geht, dann werden ungerichtete Hypothesen aufgestellt. Also: „Es gibt einen Zusammenhang zwischen Alter der Kinder und der erhaltenen finanziellen Unterstützung durch die Eltern.“ bzw. „Zwischen Personen mit und ohne Gehalt besteht ein Unterschied in der Höhe der finanziellen Unterstützung der Eltern.“

Kann man auch hypothetisieren, dass es keinen Zusammenhang oder Unterschied gibt?

Immer wieder kommt es vor, dass Studierende Hypothesen aufstellen wollen, dass es keinen Zusammenhang oder Unterschied gibt. Das ist auf jeden Fall manchmal berechtigt, aber die Denkrichtung der Falsifikation in der wir uns befinden, lässt solche Annahmen leider nicht zu. Das heißt Hypothesen können immer nur annehmen, dass etwas zusammenhängt oder sich unterscheidet aber niemals, dass etwas nicht zusammenhängt oder gleich ist. Solche Annahmen können mit den statistischen Standardtests nämlich nicht falsifiziert werden.

Puh, endlich sind die Hypothesen aus der Literatur abgeleitet! Jetzt kann es losgehen mit dem Fragebogen bzw. dem Experiment. Um hier mehr zu erfahren müsst ihr aber auf die nächsten Blogbeiträge warten.

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